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alle Artikel 25. Mai 2020

Circular Economy: Wirtschaften nach dem Vorbild der Natur (Interview)

Wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht, ist die Idee der Circular Economy ein aktuell heiß diskutiertes und sehr spannendes Thema. Worum es beim zirkulären Wirtschaften genau geht, darüber haben wir mit Martin Stavenhagen gesprochen.

Er ist Co-Gründer und Direktor von SD Consulting. Er engagiert sich als Politikberater, Researcher und Coach/Facilitator, um verschiedene Akteure im Bereich Circular Economy und nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Dabei arbeitet Martin  gern mit Städten, Unternehmen und jungen Innovatoren zusammen - z.B. über Climate-KIC, Europas größte Klimainnovationsplattform -, um Klimaschutz und nachhaltige Lösungen zu stärken und die Gestaltung einer innovativen CO2-neutralen Gesellschaft voranzubringen.

Was genau versteht man unter Circular Economy? Was ist die Idee dahinter?

‚Circular Economy‘ – oder zirkuläre Wirtschaft – muss man vor allem im Vergleich zur linearen Wirtschaftsweise betrachten, also der Form der Wirtschaft, wie sie heutzutage weltweit betrieben wird. Diese funktioniert nach dem Prinzip "take, make, use and lose".

Man nimmt also eine Ressource, macht daraus ein Produkt, nutzt es und wirft es gleich wieder weg. Damit ist der gesamte Wert verloren, nicht nur der Ressource an sich, sondern auch des Arbeitsaufwands und der Energie, die darin stecken.

Diese Verschwendung von Ressourcen kann in einer zirkulären Wirtschaft vermieden oder wenigstens verringert werden. Vorbild sind dabei natürliche Ökosysteme. Hier wird beispielsweise jedes Blatt, das vom Baum fällt, zu einem wertvollen Input für einen anderen Organismus. Der Abfall des einen wird also zur Nahrung des anderen. In diesem Sinne gibt es in der Natur keinen Abfall. Die Ressourcen sind Teil eines Kreislaufs.

Für die Circular Economy hat die Ellen MacArthur Foundation, die in dem Bereich eine Art Thought Leader ist, drei Grundprinzipien definiert:

  1. Müll und Verschmutzung werden schon beim Design vermieden und aus dem System entfernt. 
  2. Produkte und Materialien werden so lange wie möglich im Kreislauf gehalten.
  3. Natürliche Systeme werden nicht ausgebeutet, sondern regeneriert.

Das Thema des zirkulären Wirtschaftens wird momentan vermehrt diskutiert. Eine ganz neue Idee ist das aber nicht, oder?

Nein, neu ist die Idee nicht. Sie wird schon seit vielen Jahrzehnten diskutiert.

Beispielsweise kam in der Umweltbewegung der 1960er Jahre das Bild des "Raumschiffs Erde" in Umlauf, das auf den Architekten Richard Buckminster Fuller zurück geht. Damit sollte verdeutlicht werden, dass der Menschheit nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Außerdem wurde das Thema ausgiebig in der Studie "The Limits to Growth" diskutiert, die 1972 vom Club of Rome herausgegeben wurde. 

Durch den Klimawandel und die Nachhaltigkeitsagenda 2030 hat das Thema wieder stark an Relevanz gewonnen und ist nun auch wesentlicher Bestandteil des European Green Deal.

Man denkt ja als erstes an Recycling, wenn man an den Kreislauf von Materialien denkt. Welche Möglichkeiten gibt es noch?

Recycling ist tatsächlich nur eine Möglichkeit. Hierbei ist es wichtig, dass Materialien bei der Herstellung von Produkten nicht so vermischt werden, dass sie nach Gebrauch nicht mehr getrennt werden können.

Man muss aber auch bedenken, dass die Recyclingwirtschaft Materialien zwar länger im Kreislauf hält, viele Stoffe aber nicht unendlich recycelt werden können.

In der Circular Economy geht es vor allem darum, den Lebenszyklus von Materialien und Produkten von vornherein mitzudenken. Dass sie so lang wie möglich im Flow bleiben und dass der Wert der Materialien so lang wie möglich, so hoch wie möglich erhalten bleibt.

Andere Möglichkeiten sind deshalb, Produkte so zu designen, dass sie möglichst lange halten, dass man sie reparieren kann oder dass zur Produktion Materialien von anderen ausgedienten Produkten verwandt werden.

Zum Beispiel können Altkleider als Dämmstoff verwandt werden, Brotreste zur Herstellung von Bier, Kaffeesatz eignet sich gut zur Zucht von Pilzkulturen und Altglas kann in der Kombination mit Zement als Straßenbelag funktionieren.

Aber es geht nicht nur um die Herstellung neuer Produkte, sondern auch darum, Geschäftsmodelle neu zu denken. Statt etwas zu verkaufen, könnte man es ja auch verleihen.

Hast Du da ein paar Beispiele, wie Unternehmen das schon umsetzen?

Philips beispielsweise bietet Licht als Service an. Kunden, wie der Flughafen Amsterdam Schiphol, kaufen anstelle von Leuchtmitteln Lichtleistung für einen vereinbarten Zeitraum. Wenn die Laufzeit endet, kann der Kunde den Vertrag verlängern oder die Leuchtmittel an Philips zurückgeben.

Ein Beispiel aus dem Fashionbereich ist, Kleidung im Abo zu verleihen. Für eine monatliche Gebühr bekommt die Kundin drei Kleidungsstücke ihrer Wahl und kann sie so lang tragen, wie sie möchte. Wenn sie sie nicht mehr tragen möchte, schickt sie sie zurück und kann sich andere Kleidungsstücke ausleihen.

Kannst du einschätzen, wo wir in Sachen Circular Economy jetzt gerade stehen, was die Umsetzung angeht? Sind wir da noch ganz am Anfang oder gibt es schon Lösungen, die umgesetzt werden?

Neue Untersuchungen zeigen, dass weltweit lediglich neun Prozent der Ressourcen, die wir nutzen, wieder zurück in den Kreislauf gehen und weitergenutzt werden.

Vom Bewusstsein her habe ich aber schon das Gefühl, dass das Thema bei mehr Menschen und auch in der Politik mancher Länder anzukommen scheint. Allerdings ist der momentane Ressourcenverbrauch definitiv nicht nachhaltig, auch wenn es schon eine Reihe interessanter Geschäftsmodelle gibt, die in diese Richtung gehen – es sind aber noch viel zu wenige. 

Frustrierend ist oft, dass die technischen Voraussetzungen eigentlich längst da sind, sie aber noch nicht in dem Umfang genutzt werden, wie es nötig wäre.

Auch wenn es wegen COVID19 in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten eine Delle in unserem CO2-Ausstoß geben wird, hat dies mit einem Umdenken noch nichts zu tun. Die Frage ist, ob diese Situation den Umdenkprozess weiter in Gang bringen kann.

Hast Du Tipps, was jeder einzelne für sein eigenes Umdenken tun kann?

Erstmal darf man die Verantwortung für Circular Economy nicht allein dem Konsumenten überlassen. Hier spielen Unternehmen und gesetzliche Vorgaben eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung. 

Allerdings: Wenn man sich eine neue Anschaffung überlegt, könnte man sich fragen, ob es wirklich notwendig ist, ein neues Produkt selbst zu besitzen, und auch überlegen, wie lange oder wie oft man es wirklich nutzen will.

Eine Bohrmaschine, die man vielleicht nur einmal im Jahr braucht, könnte man sich vom Nachbarn ausleihen. Die kaputten Schuhe könnten vielleicht noch repariert werden. Oder statt neue Kleidung zu kaufen, könnte man in einen Second-Hand-Laden gehen. Etwas Gebrauchtes zu kaufen oder zu nutzen ist immer gut, weil die Ressourcen dafür ja schon im Umlauf sind.

Die zirkuläre Wirtschaft hat viel mit Kooperation zu tun. Es macht doch auch Spaß, etwas auszuleihen und dadurch den Nachbarn kennenzulernen oder auf dem Trödelmarkt ein echtes Schnäppchen zu erstehen. Dann liegt der Wert des Produktes nicht nur im Material, sondern zusätzlich noch in der Geschichte, die dahintersteckt. So ist etwas Altes vielleicht noch viel wertvoller als etwas ganz Neues.

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